Ideen und Phantasien einer Begegnung entwickeln sich spielerisch und von alleine. Die Stimmung wird angehoben, ist freudig, optimistisch, gut gelaunt. Der Humor läuft leichter an, man kann mehr lächeln und mehr lachen und nimmt täglichen Ärger nicht mehr so ernst. Auch anderen Menschen begegnet man entspannter großzügiger und freundlicher. Statt selbstbezogen herumzugrübeln und an sich zu zweifeln, richtet sich die Aufmerksamkeit mehr auf die Welt und man wird neugierig auf die Person des anderen. Wenn der Flirt wechselseitig ist, fühlt man sich begehrt und attraktiv und genießt es den Anderen zu begehren. Das Leben lockt plötzlich und sieht in mir und um mich herum strahlender aus - wenn es ein guter Flirt ist. Und, merkwürdigerweise, der gerade noch verzweifelt gesuchte Sinn im Leben ist gar kein Problem mehr - seit das Leben sinnlicher geworden ist. Selbst die „sinnlose Arbeit“, die man noch kurz zuvor für die Ursache allen Übels hielt, hat nichts Erdrückendes mehr, sondern kann einfach erledigt werden. Die Welt erscheint nicht mehr so erdrückend, überfordernd, leer und lustlos. Bei vielen sinkt der Alkohol-, Zigaretten- und Fernsehkonsum und der Kühlschrank stellt so wenig eine Bedrohung dar wie eine Boutique. Tägliche Konflikte werden leicht, souverän und großzügig gelöst. Man entscheidet beruflich intuitiver und wird eher bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Und es erstaunt nicht besonders, dass gute Flirts schnell weitere Flirts nach sich ziehen. Menschen gehen mehr auf einen zu. In amüsanter Form hat Soschteschenko diese Auswirkungen in einigen Kurzgeschichten beschrieben, z.B. 1967, Der Flieder blüht, Goldmann.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Obwohl Flirten „nur“ ein Spiel mit Möglichkeiten ist, sind sich die Flirtenden in der Regel sehr bewusst, dass ein Flirt „unerwünschte Nebenwirkungen“ haben kann, besonders wenn der Flirt sich auf die Liebe und die Erotik bezieht.
Denn im Moment des Flirtens zeigt man etwas von sich, wird sichtbarer und damit verletzbarer. Man lässt Gefühle, Wünsche, Sehnsüchte und Phantasien bei sich zu - und kann darüber ganz schön durcheinander geraten.
Liebesgefühle z.B. können so stark werden, dass sämtliche anderen Lebensinteressen und Pflichten zweitrangig oder irrelevant werden.
Beispiel: Ein Elektrotechnik Student verliebt sich nach einem heißen Flirt im Urlaub Hals über Kopf in ein Mädchen, das für ein Jahr nach Australien geht. Diese (erste) Liebe absorbiert ihn dermaßen, dass sein Studium ins Hängen gerät und er im Vordiplom nur mit allergrößter Mühe und schlechten Noten durchkommt.
Eine Architekturstudentin weist aus diesem Grund eine Flirtchance zurück: "Ich kenne mich, wenn ich jetzt damit anfange, kann ich meine Diplomarbeit abschreiben. Ich will erst die Arbeit fertig haben, dann kümmere ich mich um die Liebe." Nicht wenige Studenten beginnen daher mit der Liebe erst nach Abschluss ihrer Dissertation, z.B. mit 30.
Aus erfolgloser Verliebtheit können auch tiefste Enttäuschung, Schmerz, Entwertungsgefühle, Verzweiflung, Sinnlosigkeitserleben, Einsamkeit oder auch nur Chaos und Desorientierung entstehen. Der Flirt als Spiel mit positiven Möglichkeiten wird zum blumengeschmücktes Tor zur Hölle, wenn ein Flirter sich verliebt, der andere aber nicht, und aus seiner Verliebtheit nicht mehr heraus kann oder will. Fehlende Übereinstimmungen in den Beziehungserwartungen können zu Verzweiflung auf der einen Seite und Schuldgefühlen auf der anderen führen. Ein schöner Abend, ein Kuss, eine sexuelle Begegnung stellt nicht selten für den einen Partner nur einen Flirt mit der Möglichkeit einer Liebesbeziehung oder nur ein Machtspiel dar, während sie für den anderen Partner bereits Ausdruck einer Liebe und Verheißung einer Zukunft ist. (Garcia Lorca: "Jede Leidenschaft schreit nach mehr")
Ein bislang hochmotivierter Student der Informatik wirbt nach einem wunderschönen gemeinsamen Flirt in der Cafeteria vergeblich um das Mädchen. Er träumt tage- und nächtelang von ihr, versucht vergeblich, sie zu treffen, zweifelt an sich und seinem Wert und bricht darüber nicht nur in seiner Stimmung, sondern auch seinem Studium völlig ein. Das Leben kommt ihm plötzlich sinnlos und leer vor. Das engagiert betriebene interessante Studium wird zur mühseligen, faden, auferlegten Pflicht. Goethe stellt in Werthers Leiden die Folgen eines aussichtslosen Flirts dar - Werther erschießt sich. Auch Hesses Held im Steppenwolf kommt nach einem aussichtslosen Flirt um.
Hoffnungslose Verliebtheit entsteht vor allem dann, wenn jemand sehr schnell einen Flirt bereits mit Verliebtheit verwechselt. Die Weigerung des Umschwärmten sich auf eine Beziehung einzulassen, regt seine Phantasie nur noch mehr an, bzw. beschränkt sein Gefühlsleben auf die Phantasie. Manche Menschen können so Jahre damit verbringen, sich um jemanden zu bemühen - der nicht will, aber sie auch nicht entschieden zurückweist. Im Extremfall gerät ein Mensch in einen Liebeswahn, ohne dass der Umschwärmte etwas davon wissen muss oder nachvollziehen können muss, was er dazu beigetragen haben soll.
Beispiel: Ein junger Mann stolpert in der Diskothek über die provozierend ausgestreckten Beine eines Mädchens. Auf dem Heimweg erinnert er sich an die Szene und das Lachen des Mädchens. Er gelangt zur festen Überzeugung, sie habe ihm absichtlich das Bein gestellt, um ihm ein Zeichen zu geben und rennt zurück um sie zu suchen. Weder jetzt noch in den nächsten Monaten gelingt es ihm, sie wiederzufinden. Noch nach Jahren hat er das Gefühl, die Frau seines Lebens verpasst zu haben. Viele bereuen es bitter, nicht rechtzeitig den Mund aufbekommen zu haben. Für diese immer etwas zu spät schlagfertigen Menschen sind schon Radiosendungen gemacht worden, in denen sie dann über den Äther ihre Ruf- und Suchmeldung abgeben können.
Die Verzweiflung richtet sich aber auch gegen andere: Der verschmähte Flirter reagiert mit Unglauben, Hass und dem Entschluss, dass niemand sonst den Gegenstand seines Begehrens haben soll und bringt die begehrte Frau um (Tom Dooley: But the gall refusend me, so I stabed her with my knife). Letztlich wurde in der Presse der Totschlag eines Mädchens durch einen verschmähten 15-Jährigen berichtet. Weil eine Gruppe von Jungs bei einer Mädchengruppe in der Heidelberger Jugendherberge nicht ankam, provozierten sie eine Rauferei, in deren Verlauf einer der Abgewiesenen einen Jugendlichen erstach. In den USA kommt sehr häufig der „date-rape“ vor. Ein Mann glaubt sexuelle Ansprüche an ein Mädchen zu haben, wenn es mit ihm ausgeht und vergewaltigt sie im Falle einer Weigerung.
Der reale Partner eines Flirtenden reagiert mit Eifersucht, Ärger, Aggressivität. Auch hier sind Mord- und Totschlag sowohl gegen die Liebste als auch den Rivalen nicht selten (Udo Lindenberg: Mach meinen Engel nicht an, sonst kriegst Du dermaßen eins auf die Schnauze). (Lied: Frankie and Jonny: He was her man, but he done her wrong). Neidische und moralisierende Nachbarn und Kollegen können durch üble Nachrede einen unschuldigen Flirt zu einer explodierenden Tretmine machen, vor deren umherfliegenden Splittern sich das Opfer nicht schützen kann. Frauen kommen dabei meist noch schlechter weg als Männer und urteilen auch härter.
Extreme Abwertung kann jemand erleben, der in der Öffentlichkeit in konservativen Ländern flirtet, wobei Frauen wesentlich härter beurteilt werden als Männer.
Jedes Liebesbegehren löst auch die Angst vor Enttäuschung und Schmerz im Falle des Scheiterns oder die Angst vor der Bindung und der damit unvermeidlichen Einschränkung der eigenen Lebensmöglichkeiten aus. (Riemann, Grundformen der Angst). Wer sich mühsam aus einer leidvollen Beziehung herausgelöst hat, umgibt sich daher nicht selten mit einer spröden abweisenden Aura, um nicht durch Flirts erneut in die Versuchung geführt zu werden. Die Sorge vor einem „Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln“ ist dominierend. Deutet jemand einen Flirt stets als Bemühung um eine Liebesbeziehung, so wird sein Flirtverhalten auch erheblich durch die Gefahren der Liebe mitbestimmt.
Nach zwei gescheiterten Beziehungen mit extrem bevormundenden Männern lehnt eine junge Frau alle weiteren Annäherungsversuche ab. „Macker vertrag ich nicht, die anderen sind mir zu langweilig. Ich muss erst wissen, was ich eigentlich will.“ Ironischerweise hat sie seitdem mehr Flirtchancen als je zuvor und kann sich das nicht erklären.
Ein Flirt als Spiel mit Möglichkeiten enthält wenig Verbindlichkeit. Jeder kann jederzeit gehen oder kommen. Es bestehen über die Beziehung keine Absprachen. Einige nutzen die Unverbindlichkeit eines Flirtes und leben ihn als ausschließliche Beziehungsform: „Wenn wir zusammenziehen würden, also, richtig als Paar auftreten oder gar heiraten, dann würde alles kaputt gehen.“ So ein Flirt ist für jemanden, der eine verbindliche Beziehung sucht, weder Fisch noch Fleisch, und sie lehnen solche Flirts grundsätzlich ab.
Zwischen zwei Mitgliedern einer Skigruppe entwickelt sich ein stürmischer Flirt, der auch nach dem Urlaub weitergeht. Das Mädchen stellt den Mann vor folgende Alternative: Ich habe keine Lust zu spielen, meine Zeit ist mir zu kostbar. Wenn Du mich willst, sag ja, wenn nicht, geh! Weiteres Flirten wird als unerwünschtes „Herummachen“ gewertet. In diesem konkreten Falle sagte der Mann übrigens ja und hat es nicht bereut. Andere sagen: Ich habe mich drängen lassen, ich hätte mehr Zeit benötigt.
Flirts mit dem Ziel einer bestimmten Position in der sozialen Ordnung oder mit dem Ziel einer Nähe zu einem Menschen unabhängig von der erotischen Beziehung, scheinen den meisten Menschen ungefährlich und unproblematisch. Das ist aber nicht richtig. Die Warnung 'Spiel nicht mit den Schmuddelkindern' hat durchaus ihre Berechtigung, vom Standpunkt der Warner auf jeden Fall.
Jemand kann sich in Rivalitäten völlig verzetteln und die freundschaftlichen und erotischen Aspekte völlig vernachlässigen. Er ist dann z.B. erfolgreich - aber es mag ihn keiner mehr - ein häufiges Männerrisiko. Andere klammern sich intensiv an einen Freund oder eine Freundin, haften an ihren Eltern und tun alles, um die nahe und gute Beziehung zu erhalten und zu entwickeln. Sie sind nicht mehr offen für erotische Beziehungen und/oder vernachlässigen erheblich ihre berufliche Interessen. Dies ist ein typisches Frauenrisiko.
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